Grundlagen und Forschungsschwerpunkte:Während im Verlauf der letzten Jahrzehnte die Häufigkeit von schweren Schädel-Hirn-Verletzungen vor allem Dank verbesserter Sicherheitsmaßnahmen deutlich rückläufig war, steigt die Zahl von Patienten mit einem Schlaganfall aufgrund des zunehmenden Durchschnittsalter der Bevölkerung kontinuierlich an. Die resultierenden traumatischen und nicht-traumatischen Hirnschädigungen haben gemeinsame Pathomechanismen, welche die Freisetzung von neurotrophen Proteinen beinhalten. Diese Neuroproteine unterstützen die Proliferation und Differenzierung von neuronalen Stammzellen im Rahmen der Neuroregeneration und modulieren inflammatorische Prozesse. Die Untersuchung der Freisetzungsdynamik und der spezifischen Effekte dieser Neuroproteine stellt eine wesentliche Voraussetzung für das Verständnis neuronaler Reparaturmechanismen dar.
Unsere Forschungsarbeiten zum glialen Protein und neurotrophen Faktor S100B konnten in vitro neuroprotektive Effekte nachweisen (Willoughby, Kleindienst et al. 2004) und in vivo zeigen, dass die zusätzliche exogene Applikation von S100B nach einem experimentellen Schädel-Hirn-Trauma die hippokampale Neurogenese (McGinn et al. 2005) sowie die kognitive Funktion verbessert (Kleindienst, Harvey et al. 2004; Kleindienst, Grünbeck et al. 2013). Diese Arbeiten bestätigen eine Beteiligung von S100B an Prozessen der Neuroregeneration und legen die Grundlage für neue therapeutische Ansätze durch Verstärkung endogener neuroreparativer Prozesse.
Auf einer Membran kultivierte neuronale/gliale Zellkulturen werden einem Dehnungstrauma ausgesetzt. Dies führt zu einer unmittelbaren aber transienten nukleären Aufnahme des fluoreszierenden Farbstoffes Propidiumiodid durch Nervenzellen und zu einer verzögerten Aufnahme durch Glia-Zellen. Die Gabe von S100B reduziert die neuronale Zellschädigung und impliziert eine neuroprotektive Funktion von S100B.
Nach einem experimentellen Schädel-Hirn-Trauma an der Maus wurde der Effekt von exogenem, intraperitoneal verabreichtem S100B auf die Proliferation neuronaler Stammzellen quantifiziert. S100B erhöhte signifikant die Proliferation und Differenzierung der neuronalen Stammzellen und führte zu einer Verlängerung des Überlebens.
S100B aktiviert Streß-induzierte Kinase Pathways, führt zu einem Anstieg reaktiver Sauerstoffspezies und zu einer Hochregulation von Aquaporin 4-Wasserkanälen, die in der Hirnödem-Entstehung beteiligt sind. In einem transgenen Maus-Modell (11 Kopien des S100B-Genes) analysierten wir den Effekt von S100B auf das Tumorwachstum und Hirnödem 15 Tage nach stereotaktischer Implantation von GFP-markierten GL-261 Gliomzellen in den rechten Frontallappen. Die MR-Tomographie zeigt ein identisches Tumorvolumen 15 Tage nach Implantation, während das perifokale Ödem in S100Btg Mäusen signifikant reduziert ist. Zudem zeigt sich eine signifikante Verlängerung des Überlebens der S100Btg Mäusen im Vergleich zu den Kontroll-Tieren.
Zur Abschätzung des Ausmaßes einer Hirnschädigung und Prognoseabschätzung sowie zur Erfolgskontrolle therapeutischer Interventionen ist die Bestimmung von Neuromarkern wie dem S100B Protein sinnvoll. Wenig ist bisher über die Verteilungskinetik von Neuroproteinen im Gehirn, Liquor und Blut sowie die renale Elimination bekannt. Unsere laufenden klinischen Studien untersuchen die Wertigkeit von S100B als Neuromarker, also den Zusammenhang zwischen S100B Konzentrationen und dem Outcome nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung oder Schädel-Hirn-Verletzung. Um die regionalen Neuromarker-Konzentrationen im zeitlichen Profil bewerten zu können, werden die Verteilungsgradienten im ventrikulären und lumbalen und Liquor sowie die anschließende Elimination in Abhängigkeit von zugrundeliegenden pathologischen Prozessen untersucht.